Über falsche Denker

Wenn ein vermeintlicher Denker in erster Linie glaubt für andere denken zu müssen (das Denken für sich selbst bei ihm also allenfalls zweitrangig ist), wird er wohl kaum jene hochehrwürdige Bezeichnung verdient haben. Denn diese unverhohlene Gebärde macht für uns einsehbar, dass er eigentlich aus dem tiefsten Grund seines Herzens anderen nur vorschreiben will, wie sie zu denken haben. Man kann davon ausgehen, dass es in den meisten Fällen der tiefe Glaube an seine höherrangige Vernunft ist, die ihn auf diesen Irrweg führt, übrigens ist es gerade diese Annahme – auf die seine unbeherrschte und in den meisten Fällen auch grundlose Aufdringlichkeit uns gegenüber wahrscheinlich zurückzuführen ist –, die ihn uns so verächtlich macht. Andererseits sollten wir allerdings auch nicht außer Acht lassen, dass ein Mensch, der auf eben jene vermeintlichen Denker, die ihm irgendetwas Vernünftiges aufschwatzen wollen, hereinfällt – also lieber andere für sich denken lässt – sich selbst aus irgendeinem Grund nicht genug sein kann. Doch warum ist das so? Mangelt es ihm etwa tatsächlich an Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen? Will er etwa nicht einsehen, was er selbst im Grunde seines Wesens zu fassen vermag und sträubt sich möglicherweise vor einer angsteinflößenden Vorahnung, etwa den Nihilismus, dem er verfallen könnte? Ich denke dazu jedenfalls: „Um zum Philosophen zu werden, muss man erst Nihilist gewesen sein.“ (Zersplitterte Gewissheiten, [2009], S. 14)